Mein armes Leben VIII: Willkommen in der schönen neuen Arbeitswelt
Oft, aber nicht immer, hat Armut damit zu tun, daß mensch keinen Job hat. Oder mit der Erwerbsarbeit zu wenig verdient. Hart gesprochen: in manchen Jobs kann mensch sich abrackern bis zum Umfallen und verdient doch nix. Und das liegt nicht immer nur am reinen Stundenlohn, sondern oft genug auch an den Konditionen.
Ich habe während der letzten Jahre meines Studiums etliche Jobs gemacht. Meistens im Callcenter (übrigens eine Einrichtung, die ich für eine Pest halte). Da wurde nicht nur meistens auf Rechnung bezahlt, sondern es wurde oft nur die Zeit, die man tatsächlich am Telefon verbrachte, gezahlt - das macht bei einer Vier-Stunden-Schicht schon mal mindestens eine Viertelstunde aus. Es wurde mit einem angenehmen Betriebsklima, einem "jungen, dynamischen Team" und teilweise (für die Branche) irren Stundenlöhnen geworben.
Die Dynamik war dann meistens, daß irrer Quotendruck ausgeübt wurde, das angenehme Betriebsklima kann lediglich in den Hirnen sadistischer Teamleiter existiert haben, Mitarbeiter wurden mit absurden Vorgaben unter Druck gesetzt und öfter mal wunderte es mich nicht, daß das Produkt sich nicht verkaufte - es waren schlicht Dinge, die die Leute entweder schon hatten oder nicht brauchten. (Fragt nicht nach: Ich werde keine Details nennen.) Ich kam mir manchmal richtig prostituiert vor, weil das, was ich den Leuten da im Brustton tiefster Überzeugung zu erzählen hatte, in krassem Widerspruch zu dem stand, wovon ich wirklich überzeugt war.
Soziale Absicherung? Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (in einem Job, der so sehr auf die Stimme geht, daß eine Erkältung auf jeden Fall Arbeitsunfähigkeit bedeutet)? Kalkulierbare Einkünfte? Mindestarbeitszeit? Bezahlter Urlaub gar am Ende? Pustekuchen. Stundenlöhne lagen zwischen acht und neun Euro brutto, ein Vierteljahr lang habe ich auch mal für sechs Euro brutto gearbeitet.
Prekär arbeiten heißt im Klartext:
- Werde bloß nicht krank, das kannst Du Dir nicht leisten. Auskurieren übrigens erst recht nicht.
- Urlaub? Auf eigene Kosten. Wo denkst du auch hin, wer braucht schon Urlaub. Regeneration ist für Weicheier.
- Ergonomie, ein Arbeitsplatz, der nicht krank macht, brauchbares Arbeitsmaterial? Luxus!
- Erwarte nicht, daß du ein verläßliches Arbeitsvolumen bekommst. Haben wir keine Arbeit für dich - Pech gehabt.
- Wie, Sozialversicherung? Kündigungsschutz? Gibt's hier nicht.
- Einen vernünftigen Stundenlohn willst du? Schaff gefälligst mal ein paar Abschlüsse mehr an den Laden, dann gibt's Leistungsprämien.
- Was Du leistest, ist nie gut genug. Der Arbeitgeber versucht, mit maximalem Druck das Letzte aus Dir rauszuquetschen, aber Dir nur das zu zahlen, was er muß.
Ich finde den Druck, der seit den Hartz-Reformen ausgeübt wird, jeden auch noch so bekackten Job anzunehmen, zum Kotzen. Nicht nur, daß mensch so ungeheuer schnell in einem umwürdigen Job festsitzt, es birgt m.E. den Keim einer Aushöhlung des Arbeitsrechts. Wenn Arbeitnehmer weniger als zuvor mit den Füßen abstimmen können und sich mehr als vor der Einführung von Hartz IV immer ein Dummer findet, der die Kohle gerade so dringend braucht, daß er auch den letzten Drecksjob zu den beschissensten Konditionen macht, sind am Ende die Arbeitgeber, die vernünftig mit ihrem Personal umgehen, die Dummen.
Ich würde gern raten, solche Jobs bloß nicht anzunehmen. Aber ich weiß gut genug, wie es ist, so verzweifelt Kohle zu brauchen, daß man jeden Mist annimmt.
Und ich weiß auch, wie es ist, wenn mensch den Drecksjob nicht kündigen kann, weil einem sonst das Amt aufs Dach steigt.
Aber ich empfehle Günter Wallraffs Reportage über Callcenter in der Zeit. Gegen die Konditionen, die da geschildert werden, sind meine Erfahrungen harmlos.
Ich habe während der letzten Jahre meines Studiums etliche Jobs gemacht. Meistens im Callcenter (übrigens eine Einrichtung, die ich für eine Pest halte). Da wurde nicht nur meistens auf Rechnung bezahlt, sondern es wurde oft nur die Zeit, die man tatsächlich am Telefon verbrachte, gezahlt - das macht bei einer Vier-Stunden-Schicht schon mal mindestens eine Viertelstunde aus. Es wurde mit einem angenehmen Betriebsklima, einem "jungen, dynamischen Team" und teilweise (für die Branche) irren Stundenlöhnen geworben.
Die Dynamik war dann meistens, daß irrer Quotendruck ausgeübt wurde, das angenehme Betriebsklima kann lediglich in den Hirnen sadistischer Teamleiter existiert haben, Mitarbeiter wurden mit absurden Vorgaben unter Druck gesetzt und öfter mal wunderte es mich nicht, daß das Produkt sich nicht verkaufte - es waren schlicht Dinge, die die Leute entweder schon hatten oder nicht brauchten. (Fragt nicht nach: Ich werde keine Details nennen.) Ich kam mir manchmal richtig prostituiert vor, weil das, was ich den Leuten da im Brustton tiefster Überzeugung zu erzählen hatte, in krassem Widerspruch zu dem stand, wovon ich wirklich überzeugt war.
Soziale Absicherung? Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (in einem Job, der so sehr auf die Stimme geht, daß eine Erkältung auf jeden Fall Arbeitsunfähigkeit bedeutet)? Kalkulierbare Einkünfte? Mindestarbeitszeit? Bezahlter Urlaub gar am Ende? Pustekuchen. Stundenlöhne lagen zwischen acht und neun Euro brutto, ein Vierteljahr lang habe ich auch mal für sechs Euro brutto gearbeitet.
Prekär arbeiten heißt im Klartext:
- Werde bloß nicht krank, das kannst Du Dir nicht leisten. Auskurieren übrigens erst recht nicht.
- Urlaub? Auf eigene Kosten. Wo denkst du auch hin, wer braucht schon Urlaub. Regeneration ist für Weicheier.
- Ergonomie, ein Arbeitsplatz, der nicht krank macht, brauchbares Arbeitsmaterial? Luxus!
- Erwarte nicht, daß du ein verläßliches Arbeitsvolumen bekommst. Haben wir keine Arbeit für dich - Pech gehabt.
- Wie, Sozialversicherung? Kündigungsschutz? Gibt's hier nicht.
- Einen vernünftigen Stundenlohn willst du? Schaff gefälligst mal ein paar Abschlüsse mehr an den Laden, dann gibt's Leistungsprämien.
- Was Du leistest, ist nie gut genug. Der Arbeitgeber versucht, mit maximalem Druck das Letzte aus Dir rauszuquetschen, aber Dir nur das zu zahlen, was er muß.
Ich finde den Druck, der seit den Hartz-Reformen ausgeübt wird, jeden auch noch so bekackten Job anzunehmen, zum Kotzen. Nicht nur, daß mensch so ungeheuer schnell in einem umwürdigen Job festsitzt, es birgt m.E. den Keim einer Aushöhlung des Arbeitsrechts. Wenn Arbeitnehmer weniger als zuvor mit den Füßen abstimmen können und sich mehr als vor der Einführung von Hartz IV immer ein Dummer findet, der die Kohle gerade so dringend braucht, daß er auch den letzten Drecksjob zu den beschissensten Konditionen macht, sind am Ende die Arbeitgeber, die vernünftig mit ihrem Personal umgehen, die Dummen.
Ich würde gern raten, solche Jobs bloß nicht anzunehmen. Aber ich weiß gut genug, wie es ist, so verzweifelt Kohle zu brauchen, daß man jeden Mist annimmt.
Und ich weiß auch, wie es ist, wenn mensch den Drecksjob nicht kündigen kann, weil einem sonst das Amt aufs Dach steigt.
Aber ich empfehle Günter Wallraffs Reportage über Callcenter in der Zeit. Gegen die Konditionen, die da geschildert werden, sind meine Erfahrungen harmlos.
ryuu - 17. Okt, 20:01
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